Ist die Menstruation wirklich Privatsache?

Ist die Menstruation wirklich Privatsache?

Blut, Tabus und Politik – In einer Welt, die sich schneller dreht als je zuvor, einer Welt, in der traditionelle Wertevorstellungen und gesellschaftliche Konstrukte wie nie hinterfragt und neu – besser – zusammengesetzt werden, gibt es nach wie vor Themen, die ein unsichtbarer Schleier umhüllt: Die Menstruation ist eine biologische Realität für die Hälfte der Menschheit und der Ursprung des Lebens, dennoch findet sie immer noch im Verborgenen statt. 

Ist die Menstruation Privatsache? Zwischen biologischer Realität und Politikum

Seit Schottland 2022 den revolutionären Schritt gegangen ist und Menstruierenden einen kostenfreien Zugang zu Periodenprodukten in öffentlichen Einrichtungen zugänglich gemacht hat, wird auch hierzulande die Forderung nach Menstruationsgerechtigkeit lauter. Den vorläufigen Höhepunkt hat der Diskurs erreicht, als in diesem Jahr das Projekt “Rote Box” in Wien ins Leben gerufen wurde. Menstruierende sollen dabei einen Gutschein für Periodenprodukte erhalten. Nicht nur in Österreich, auch in Deutschland hat das Konzept, das Periodenarmut entgegenwirken soll, für Aufregung gesorgt. Eines der Hauptargumente von Kritiker*innen war dabei, dass es nicht nur eine zu große finanzielle Belastung darstellen würde, Periodenprodukte in öffentlichen Räumen kostenlos zur Verfügung zu stellen, es wäre auch übertrieben und unnötig, denn: Die Menstruation wäre schließlich Privatsache. 

Ist das wirklich so? Oder ist das vielmehr ein Überbleibsel patriarchaler Strukturen, an denen Kritiker*innen mit allen Mitteln versuchen festzuhalten? Denn trotz der scheinbaren Fortschritte, was die Gleichberechtigung der Geschlechter betrifft, ist die Stigmatisierung und die Scham rund um die Menstruation nach wie vor weit verbreitet. Die wenigsten Menschen, die menstruieren, würden deshalb offensichtlich mit einer Maxibinde durchs Restaurant laufen, ebenso wenig wie kaum jemand bei einer Krankmeldung auf der Arbeit Menstruationsbeschwerden angeben würde. Darüber hinaus wird erst seit Kurzem rote Flüssigkeit, statt blauer in Werbung für Periodenprodukte verwendet. All das trägt zur Unsichtbarkeit der Menstruation bei. Die Periode wird also zur Privatsache gemacht und dadurch zum genauen Gegenteil: politisch. 

Menstruationsungerechtigkeit führt zu Benachteiligung

Dabei ist die Periode keine exklusive Domäne des weiblichen Körpers, sie ist auch nichts, was man sich freiwillig aussuchen würde, hätte man die Wahl. Ein teilweise erschwerter Zugang zu Menstruationsprodukten, sanitären Einrichtungen und Bildung über den Zyklus ist weltweit ungleich verteilt, was in einen Teufelskreis der Benachteiligung führt, der Mädchen und Frauen in vielen Gesellschaften davon abhält, ihr volles Potenzial auszuschöpfen.

Auch in Deutschland herrscht keine Menstruationsgerechtigkeit. Periodenarmut ist auch hier ein ernstzunehmendes Thema, das mit steigenden Lebenshaltungskosten immer mehr Menstruierende vor finanzielle Herausforderungen stellt. Das hat nicht nur Konsequenzen für die Gesundheit und die gesellschaftliche Teilhabe, sondern verstärkt auch die bestehenden wirtschaftlichen Disparitäten. Die Menstruation beeinflusst nämlich nicht nur die persönliche Sphäre, sondern in vielen Teilen der Welt ebenso die Bildungschancen und die berufliche Entwicklung von Frauen. Auch am Arbeitsplatz wird die Menstruation oft als Privatsache betrachtet, was dazu führt, dass viele Menstruierende unter teilweise großen Schmerzen und Unwohlsein ihrer Arbeit nachgehen, ohne sich zu trauen, über ihre Beschwerden offen sprechen zu können. 

Es wird also höchste Zeit, die Menstruation in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. Denn die Umwandlung der Menstruation von einem Tabu zu einem öffentlichen Thema ist entscheidend für die Förderung der Geschlechtergleichheit. Die Menstruation ist mehr als nur eine biologische Realität, sie ist ein Spiegel gesellschaftlicher Dynamiken. Deshalb ist es an der Politik, sich aktiv mit diesem Thema auseinandersetzen.

Darüber hinaus kann jede*r Einzelne dazu beitragen, in seinem Wirkungskreis für mehr Menstruationsgerechtigkeit zu sorgen: einen Mülleimer im eigenen Badezimmer platzieren, die eigenen Beschwerden nicht herunterspielen, sondern offen über seine Menstruationsprobleme sprechen oder kostenfreie Periodenprodukte für die Mitarbeitenden zur Verfügung stellen – all das sind wichtige Schritte, die nicht nur mehr Wertschätzung gegenüber Menstruierenden ausdrücken und Scham abbauen, sondern auch aus einer vermeintlichen Privatsache eine öffentliche Angelegenheit machen. 

Weiterlesen

DER PERIOD CARE GAP
Die Menstruation darf kein Luxus sein

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Website ist durch reCAPTCHA geschützt und es gelten die allgemeinen Geschäftsbedingungen und Datenschutzbestimmungen von Google.